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Der Beschluß ist rechtskräftig.

 

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2 Ss (OWi) 297/85

41 Js 3788/84 StA Lüneburg
- Zweigstelle Celle -

Beschluß

In der Bußgeldsache

gegen

l. den Sparkassenkaufmann Hartmut Bokelmann aus 3101 Hohnhorst, Blockkamp 26,...,

2. den Landwirt Günther von Hohnhorst aus 3101 Hohnhorst, Am alten Hof 3, ...,

wegen Verstoßes gegen die Wasseranschlußsatzung des Wasserversorgungsverbands im Landkreis Celle

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die mit Zulassungsanträgen verbundenen Rechtsbeschwerden der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 15. Februar 1985 nach Anhörung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht am 10. Februar 1986 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Behre sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Horneffer und Stütz beschlossen:

Die Rechtsbeschwerden werden zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Celle zurückverwiesen.

G r ü n d e

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu l. wegen fahrlässiger Ordnungswidrigkeit nach §§ 28, 4 der Wasseranschlußsatzung (WAS) des Wasserversorgungsverbands im Landkreis Celle vom 14.12.1981 in der Fassung vom 8.12.1983 in Verbindung mit § 6 Abs. 2, 8 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) vom 7.1.1974 zu einer Geldbuße in Höhe von 150 DM und den Betroffenen zu 2. wegen fahrlässiger Ordnungswidrigkeit nach §§ 28, 6 WAS in Verbindung mit § 6 Abs. 2, 8 NGO zu einer Geldbuße in Höhe von 110 DM verurteilt. Dem Betroffenen zu l. wird vorgeworfen, als Eigentümer eines in der Gemarkung Hohnhorst gelegenen Grundstücks, auf dem Wasser verbraucht wird, seiner sich aus § 4 der WAS ergebenden Verpflichtung nicht nachgekommen zu sein, sein Grundstück an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen - mithin gegen den Anschlußzwang verstoßen zu haben. Dem Betroffenen zu 2. wird vorgeworfen, als Eigentümer eines ebenfalls in der Gemarkung Hohnhorst gelegenen Grundstücks, auf dem Wasser verbraucht wird und das an die öffentliche Wasserversorgungsanlage bereits angeschlossen ist, die sich aus § 6 der genannten Satzung ergebende Verpflichtung verletzt zu haben, den gesamten Bedarf an Wasser ausschließlich aus dem öffentlichen Leitungsnetz zu decken - mithin sich nicht dem Benutzungszwang unterworfen zu haben.

Die Betroffenen begehren die Zulassung ihrer Rechtsbeschwerden, die sich gegen dieses Urteil richten und mit denen der Betroffene zu l. die Verletzung materiellen Rechts und der Betroffene zu 2. die Verletzung von Verfahrensrecht rügen.

Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen waren zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen und haben auch Erfolg, weil im Falle des Betroffenen zu 1. die vom Amtsgericht nach umfangreicher und gründlicher Beweisaufnahme getroffenen und in den an sich ausführlichen und sorgfältigen Urteilsgründen niedergelegten Feststellungen letztendlich nicht ausreichen, um den Schuldspruch zu tragen, und weil das Amtsgericht im Falle des Betroffenen zu 2. einen Beweisantrag unrichtig behandelt und den Umfang seiner Befugnisse nach § 77 OWiG verkannt hat.

II.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Nahezu alle Haushalte in Hohnhorst versorgten sich ursprünglich bis zum Jahre 1979 aus eigenen Tiefbrunnen mit Trink- und Brauchwasser. Im Herbst 1978 begann der Wasserversorgungsverband im Landkreis Celle (WVC) mit dem Anschluß dieses Ortes an die öffentliche Wasserversorgung. Hiergegen regte sich örtlicher Widerstand. Auf einer deshalb vom WVC abgehaltenen Versammlung noch im Herbst 1978 wurden die Grundstückseigentümer über die Durchführung des Anschluß- und Benutzungszwangs unterrichtet. Dabei erklärte der damalige Geschäftsführer Linde des WVC, daß für Hohnhorst auf die Verpflichtung zum Anschluß der Grundstücke an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und zu deren Benutzung nicht verzichtet werde. Der Verbandsgeschäftsführer machte allerdings das Zugeständnis, daß der Anschluß- und Benutzungszwang erst nach einer Übergangsfrist von 3 Jahren verbindlich sei und durchgeführt werde. Eine von den Betroffenen behauptete Zusage, wonach die Grundstückseigentümer nach Ablauf von 3 Jahren selbst darüber entscheiden könnten, ob sie sich an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anschließen lassen, ist vom Verbandsgeschäftsführer Linde nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht abgegeben worden. Ein auf einer anschließenden Bürgerversammlung formulierter und von einem gewählten Sprecher gestellter Antrag von 50 Grundstückseigentümern auf Befreiung von Anschluß- und Benutzungszwang wurde in der Sitzung des Verbandsausschusses des WVC vom 20. März 1979 abschlägig beschieden. Die Betroffenen sind hierüber vom Sprecher nicht unterrichtet worden.

Seit 1979 kann das Grundstück des Betroffenen zu l., das an eine öffentliche Straße mit einer betriebsfertigen Versorgungsleitung grenzt, an das zentrale Wasserversorgungsnetz angeschlossen werden. Sein Antrag vom 29. September 1981 auf Befreiung von Anschluß- und Benutzungszwang wurde durch bestandskräftig gewordenen Bescheid des WVC zurückgewiesen. Der mit diesem Bescheid verbundene Heranziehungsbescheid, beinhaltend die Aufforderung zur Herstellung des Anschlusses an das Wasserversorgungsnetz, vom l. September l98l wurde durch späteren Abhilfebescheid aufgehoben und durch einen 2. Heranziehungsbescheid - offenbar vom 12.10.1982 - ersetzt, dem der Betroffene zu l. mit Schreiben vom 2.11.1982 widersprach. Nach Aufforderung durch den WVC stellte der Betroffene zu l. am 27. April 1983 den nach der WAS erforderlichen Antrag auf Anschluß an die öffentliche Wasserversorgungsanlage "vorbehaltlich einer endgültigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung" (UA S. 4 - Bl. 134 d.A.). Auf Ankündigung vom 28. Dezember 1983 der Herstellung eines Hausanschlusses untersagte der Betroffene zu l. das Betreten seines Grundstücks zu diesem Zweck bis zur Entscheidung über seine Verpflichtung zur Herstellung eines Hausanschlusses. Der Hausanschluß ist bislang nicht hergestellt.

Das Grundstück des Betroffenen zu 2. ist seit 1979 betriebsfertig an das zentrale Wasserversorgungsnetz angeschlossen. Der Betroffene zu 2. entnimmt der öffentlichen Wasserversorgungsanlage jedoch kein Wasser.

III.

l. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht in einer Unklarheiten ausschließenden Weise. Die Rechtswidrigkeit des Handelns des Betroffenen zu l., der sein Grundstück nicht an das öffentliche Wasserversorgungsnetz angeschlossen hat, ist nicht ausreichend dargetan. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht eindeutig, daß gegen den Betroffenen zu 1. - soweit er nicht rechtmäßig und bindend durch öffentliche Bekanntmachung zum Anschluß aufgefordert worden ist - ein bestandskräftiger und vollstreckbarer Heranziehungsbescheid zum Anschluß an das öffentliche Wasserversorgungsnetz ergangen ist. Das Vorliegen eines solchen Bescheides aber ist Voraussetzung für den Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nach der WAS und ermöglicht es, die Dauer der Ordnungswidrigkeit einzugrenzen. Der in § 4 WAS umfassend ausgesprochene Anschlußzwang wird durch § 14 Abs. 2 WAS dahin modifiziert, daß eine Aufforderung zum Anschluß schriftlich gegenüber dem einzelnen Grundstückseigentümer oder durch öffentliche Bekanntmachung erforderlich ist. Ein Anschlußzwang, dessen Verletzung als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, ist nicht sachgerecht, wenn der WVC trotz vorhandener Leitungen die Wasserversorgung aus betrieblichen Gründen nicht gewährleisten kann (vgl. § 3 Abs. 2 WAS) und deswegen keinen Heranziehungsbescheid erläßt. Die Beschränkung ergibt sich auch aus der Regelung der WAS, die in den § 5 und 7 bei rechtzeitiger Antragstellung die Möglichkeit einer Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang eröffnet; bis zur abschließenden Entscheidung über einen Befreiungsantrag kann der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nicht erhoben werden. Den Urteilsgründen sind zwar Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestandskräftigen Heranziehungsbescheids zu entnehmen (vgl. UA S. 3, 3. Abs.; S. 4, l. Abs.; S. 15, 2. Abs. - wo es statt "Betroffene zu 2." allerdings heißen muß: Betroffene zu l., indes sind die Ausführungen zu diesem Umstand unvollständig. So bleibt unklar, ob nach dem Abhilfebescheid, mit dem der l. Heranziehungsbescheid vom l. September l98l aufgehoben worden ist, ein wirksamer 2. Heranziehungsbescheid ergangen ist. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen dürfte der 2. Heranziehungsbescheid am 12.10.1982 ergangen sein. Der Betroffene zu l. hat die Heranziehung mit Schreiben vom 2.11.1982 in nicht näher dargelegter Art abgelehnt. Sofern dieses Schreiben als förmlicher Widerspruch anzusehen ist, fehlt es an Feststellungen zur Anordnung der sofortigen Vol1ziehbarkeit der Heranziehung oder rechtskräftigen Bescheidung des Widerspruchs.

2 . Die Ablehnung des Antrags des Betroffenen zu 2., dessen Grundstück zwar an das öffentliche Wasserversorgungsnetz angeschlossen ist, der Wasser jedoch nicht abnimmt, auf Vernehmung des Zeugen Hennies zum Beweis der Tatsache - nur so ist der Beweisantrag aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe zu verstehen -, daß der Zeuge Linde bei der Versammlung im Herbst 1978 zugesagt habe, vom - hier relevanten - Benutzungszwang werde abgesehen werden, ist fehlerhaft. Die auf § 77 OWiG gestützte Ablehnung des Beweisantrages stellt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar, die nur zulässig ist, wenn der Sachverhalt aufgrund verläßlicher Beweismittel bereits so eindeutig geklärt ist, daß die beantragte Beweiserhebung an der Überzeugung des Gerichts nichts ändern würde (vgl. Göhler, OWiG, 7. Aufl., Rdnr. 14 zu § 77; Alsberg/ Nüse/Meyer, Seite 842 f.; OLG Hamm VRS 67, 450 = DAR 1985, 29; Beschlüsse des hiesigen 1. Senates für Bußgeldsachen vom 13. November 1985 - 1 Ss (OWi) 386/85 -, 4. März 1985 - 1 Ss (OWi) 89/85 und 12. Februar 1986 - 1 Ss (OWi) 31/86 m.w.N.). Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen; es darf für das Gericht kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß die weitere Beweiserhebung keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Gewicht der bisherigen Beweiserhebung auf der einen und des Beweismittels, dessen zusätzliche Verwendung beantragt ist, auf der anderen Seite müssen nach dem Ergebnis der gesamten Beweislage abgewogen werden. Eine weitere Beweiserhebung darf nur unterbleiben, wenn die Möglichkeit, daß die Überzeugung des Gerichts durch sie noch erschüttert wird, vernünftigerweise ausgeschlossen erscheint. Wenn das nur unwahrscheinlich ist, muß der Beweis erhoben werden (Alsberg/ Nüse/Meyer, Seite 843 m.w.N.). Der Beweisantrag des Betroffenen zu 2. zielte darauf ab, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Linde in Frage zu stellen, der bekundet hat, er könne eine solche Zusage nicht abgegeben haben, da eine solche Zusage nicht denkbar sei. Gestützt auf diese Schlußfolgerung des Zeugen Linde hat das Amtsgericht den Aussagen von 10 vom Betroffenen benannten und in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, deren Bekundungen die Behauptung des Betroffenen zur Freistellung von dem hier relevanten Benutzungszwang bestätigten, einen entscheidenden Beweiswert abgesprochen, weil es sich bei den Hohnhorster Bürgern überwiegend um Laien handele, denen auch anläßlich der Versammlung die genauen Einzelheiten der Problematik der Durchführung des Anschluß- und Benutzungszwanges nicht gänzlich klar geworden seien (UA S. 11/12). Unter diesen Umständen ist das Amtsgericht den aufgezeigten strengen Anforderungen des § 77 OWiG nicht gerecht geworden, weil es sich bei dem weiteren vom Betroffenen in seinem Beweisantrag benannten Zeugen um einen als Gemeindedirektor kompetenten und mit den anstehenden Fragen vertrauten Verwaltungsbeamten handelte, bei dem eine zuverlässige Auffassung der angeblich für Laien zu schwierigen Fragen des Anschluß- und Benutzungszwanges auf jeden Fall zu erwarten war. Die Notwendigkeit der Vernehmung dieses Zeugen wird auch nicht durch einen von ihm gefertigten und in die Hauptverhandlung eingeführten, in den Urteilsgründen auszugsweise wiedergegebenen Vermerk ausgeräumt. Durch diese Form der Wiedergabe sind die Bezüge der referierten Teile des Vermerks, die die Rechtsbeschwerde in Abrede stellt, nicht nachprüfbar dargelegt. Dazu bestand indes besonderer Anlaß, da der Vermerk im Rahmen der Wertung nach § 77 OWiG praktisch die Zeugenaussage ersetzen sollte. Die Bestätigung der Beweis-Behauptung durch den Zeugen Hennies hätte unbeschadet einer Unwirksamkeit der Zusage der Befreiung vom Benutzungszwang zumindest Auswirkungen auf den subjektiven Schuldvorwurf gehabt. Gegen den Betroffenen zu 2. hätte nicht mehr der Vorwurf erhoben werden können, aufgrund von Meinungsbildung in späteren Versammlungen lediglich geglaubt zu haben, daß der Zeuge Linde eine entsprechende Zusage abgegeben habe.

Richter am Oberlandesgericht Dr. Horneffer kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben.

Dr. Behre Dr. Behre Stütz

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